Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Göppingen
Liebe Journalistinnen und Journalisten,
ich begrüße Sie sehr herzlich zu dieser Pressekonferenz. Es ist gut, dass Sie da sind und von diesem Katholikentag in Erfurt berichten.
Der 103. Deutsche Katholikentag findet in einem Bundesland statt, in dem nur ein Viertel der Bevölkerung sich als christlich bezeichnet und nur etwa 7 Prozent der Menschen katholisch sind. „Wir haben hier kein Heimspiel“, würde man im Fußball sagen.
Aber gibt es überhaupt noch Heimspiele für Katholiken in Deutschland? Ich denke, nein. Der Abbruch der Volkskirche ist landauf, landab Realität. Die Kirche ist in einer Krise, die nicht nur vom Glaubenswandel zeugt. Sie ist in einer Krise, die sie selbst mitverschuldet hat. Zu lange hat sie auf die Wahrung des Status quo gesetzt, hat kritische Fragen nicht an sich herankommen lassen. Dann hat der Missbrauchsskandal in großem Maße Vertrauen zerstört.
Die Kirche reagiert darauf zu langsam. Wir haben auf dem Synodalen Weg in Deutschland Beschlüsse gefasst, die den Machtmissbrauch eindämmen, Gleichberechtigung der Menschen in der Kirche ermöglichen sollen, freie Lebens- und Beziehungsentscheidungen wichtig nehmen. Es quält mich, dass wir mit der Umsetzung dieser Ziele nicht schnell genug vorankommen. Meine Ungeduld ist groß, und nicht nur meine. In einer Weltkirche, die die Verantwortung und Macht ihrer Bischöfe betont, erwarte ich von eben jenen Bischöfen – auch dem Bischof von Rom, unserem Papst –, dass nun endlich das Ruder herumgeworfen wird. Es ist genug geredet. Es muss gehandelt werden!
Was tut ein Katholikentag – in diesen Zeiten? Wir sind uns hier in Deutschland der Tradition dieser Treffen sehr bewusst. Sie sind ein Schatz, den wir sorgsam hüten. Und wir danken dem gastgebenden Bistum Erfurt und seinem Bischof sehr, dass wir hier als Zentralkomitee der deutschen Katholiken freundschaftlich aufgenommen worden sind. Für uns, die Veranstalter, gehören Katholikentage zum Ursprung der organisierten katholischen Zivilgesellschaft, die seit über 175 Jahren besteht. 1848 waren sie eine Frucht der bürgerschaftlichen Bewegung.
Heute heißt das: Katholikentage mischen sich ein in die virulenten Themen in Kirche und Gesellschaft. Der 103. Deutsche Katholikentag hier in Erfurt hat sich zum Ziel gesetzt, die Demokratie zu stärken, Gemeinwohl und Gemeinschaft in Vielfalt in den Mittelpunkt zu rücken. „Zukunft hat der Mensch des Friedens“, heißt sein Leitwort aus Psalm 37.
Frieden ist nur zu finden, wenn er gesucht wird. Wir alle haben hier in Deutschland Verantwortung für den Frieden im Land. Aber nicht nur hier: Wir sind Teil Europas, wir sind Teil der Weltgemeinschaft. Der Katholikentag will im Blick darauf mit seinem Leitwort eine Hoffnungsperspektive eröffnen. Er sagt: „Christinnen und Christen glauben, dass sie am Frieden arbeiten können! Sie trauen sich selbst etwas zu!“
Hier in Deutschland sehen wir aktuell, dass es Mut und Gemeinschaft braucht, um diese Hoffnung zu stärken. Wir stehen in einer gefährlichen Situation: Unsere Demokratie ist bedroht. Wir brauchen sie aber, und wir müssen sie pflegen. Sie kann nur funktionieren, wenn wir kultiviert und konstruktiv miteinander umgehen. Der Katholikentag will zeigen, dass das geht! Er fördert die Debatte, lässt unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen. Gleichzeitig hat die Leitung des Katholikentags früh gesagt: Der Katholikentag ist KEIN Ort für populistische Parolen, für Diffamierung von Menschen und das Verächtlichmachen der Demokratie. Menschen, die dies tun, Menschen, die sich in Parteien organisieren, die auf Ausgrenzung und völkischen Nationalismus setzen, haben auf unseren Podien keinen Platz. Hier ziehen wir eine klare Grenze. Und wir halten als Christinnen und Christen an ihr fest.
Am Frieden arbeiten, sich selbst etwas zutrauen: DAZU will dieser Katholikentag ermutigen. Fünf Tage lang soll er ein Ort sein, wo man sich von anderen stärken lassen kann. Ein Ort, an dem man miteinander betet, bei Veranstaltungen um gute Argumente ringt und wo sich Angst in Mut verwandelt, Stärke in Tatkraft mündet – und auch fröhlich gefeiert wird. Ich denke: Wenn am Ende möglichst viele Menschen mit Hoffnung im Herzen in ihren Alltag zurückkehren, haben wir etwas erreicht.
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