Sperrfrist
Fr, 31. Mai 2024, 16.30 Uhr

Fr
16.30–18.00
Zentrum Bibel und Spiritualität | Meditation
Mit Meister Eckhart in die Stille
Meditationsimpulse zum großen Mystiker aus Thüringen
Renate Morawietz, Exerzitienbegleiterin, Erfurt

1. Begrüßung

Sehr geehrte Damen und Herren, ganz herzlich begrüße ich Sie zu der Veranstaltung „Mit Meister Eckhart in die Stille“. Zuerst stelle ich knapp Meister Eckhart vor. Dann bringe ich Texte von ihm, die ich für prägnant halte, oft mit etwas Erläuterung. Dazwischen ist öfter kurze Stille und dreimal 5 Min. Stille. Da bitte ich Sie, trotzdem sitzen zu bleiben, damit keine Unruhe entsteht.

Mein Name ist Renate Morawietz, ich bin Theologin und habe mich die letzten 2 Jahrzehnte ungefähr mit Meister Eckhart beschäftigt und ab und zu Einkehrtage mit seinen Texten und Gedankengut gehalten. In Birkenwerder und in Erfurt im Predigerkloster.

Also zuerst zu Meister Eckhart: 

Meister Eckhart hat von 1260 bis 1328 gelebt, er stammt aus Thüringen, war Dominikaner hauptsächlich in Erfurt, aber auch in Köln und Straßburg. Er hatte Leitungsaufgaben im Orden, hat aber auch zeitweise an der Universität in Paris gelehrt. Daher der Titel „Meister“ vor seinem Namen. Das bedeutet so etwas wie heute „Professor“. Eckhart hat auch für das Volk gepredigt, war wahrscheinlich u.a. zeitweise mit der Seelsorge für Frauenklöster und Beginen betraut. Predigten in deutscher Sprache, beziehungsweise in mittelhochdeutsch sind überliefert. Er hat auch lateinische Predigten verfasst, Traktate geschrieben und anderes mehr.

Aber nun zu Meister Eckhart für uns jetzt hier in der Gegenwart. Ein Zitat:

„Gott ist ein Gott der Gegenwart.

Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was Du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist.“ (Tr. 2,12; 373) Zitat von Eckhart 

Ich lade Sie ein, den Spruch auf sich wirken zu lassen.

„Gott ist ein Gott der Gegenwart.

Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich,

nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist.“ Reden der Unterweisung 12 (Tr. 2,12)

..........Stille..........

Im Zusammenhang steht das Zitat mit der Aussage, dass Gott den Menschen zu seinem Freund machen möchte. Egal, wie er ihn vorfindet. Selbst Sünden können in diesem Zusammenhang dieser Freundschaft von Nutzen sein. Eckhart geht davon aus, dass der Mensch dadurch zu Dankbarkeit und Liebe angeregt wird. Gott kann aus allem das Beste für den Menschen machen. Er trägt nichts nach. Die Gegenwart ist entscheidend.

Gott ist in jedem Augenblick offen für uns. Immer neu. Wirbt um unser Vertrauen. Um unsere Freundschaft.

Die Vergangenheit spielt keine Rolle. Gott fügt alles zum Guten. 

Ich lese etwas im Zusammenhang aus den Reden der Unterweisung vor:

„Fürwahr, Sünden getan haben ist nicht Sünde, wenn sie uns Leid sind. Nicht soll der Mensch, Sünde tun wollen, nicht um alles, was in Zeit und Ewigkeit geschehen mag. … Wer recht zu Gott stünde, der sollte sich allwegs vor Augen halten, dass der getreue, liebende Gott den Menschen aus einem sündigen Leben in ein göttliches gebracht, aus einem Feind zum Freund gemacht hat, was mehr ist, als eine neue Erde zu erschaffen. Das wäre einer der stärksten Antriebe, der den Menschen ganz in Gott versetzen würde, und man sollte sich wundern, wie sehr es den Menschen in starker, großer Liebe entzünden müsste … Ja, wer recht in den Willen Gottes versetzt würde, der sollte nicht wollen, dass die Sünde, in die er gefallen, nicht geschehen wäre. Freilich nicht im Hinblick darauf, dass sie auf Gott gerichtet war, sondern du dadurch zu größerer Liebe gebunden und du dadurch erniedrigt und gedemütigt bist … Du sollst aber Gott darin recht vertrauen, dass er dir´s nicht hat widerfahren lassen, ohne dein Bestes daraus ziehen zu wollen. Wenn aber der Mensch sich völlig aus den Sünden erhebt und ganz von ihnen abkehrt, dann tut der getreue Gott, als ob der Mensch nie in Sünde gefallen wäre … Gott will es ihn nie entgelten lassen; er könnte mit einem solchen Menschen alle Vertraulichkeit haben, die er je mit einer Kreatur unterhielt. Wenn anders er ihn nur jetzt bereit findet, so sieht er nicht an, was er vorher gewesen ist. Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist.“

Gott wirbt um den Menschen, um seine Freundschaft. Er nimmt ihn immer wie er ist, kommt ihm aktuell entgegen, in jeder Gegenwart, immer jetzt. Ihm kann ich mich anvertrauen und mich ihm überlassen. Gott ist uns immer zugewandt. Er empfängt uns jederzeit, mit offenen Armen.

..........Stille..........

Gott nimmt uns in unserer Gegenwart wie wir gerade sind, Meister Eckhart sieht auch Gott immer in der Gegenwart, aber in einer Gegenwart, die die Zeit sprengt. Gott sprengt sowieso alle Vorstellungen. Bei Gott ist alles Gegenwart, was ist und war und kommen wird, er ist außerhalb der Zeit.

Meister Eckhart hat die Vorstellung, dass von Gott her – außerhalb der Zeit – alles aus Gott hervorgeht. Eckhart denkt von oben her, vom Ursprung her. Der Umfang (?) alles Geschehenen liegt dort, wo Gott jenseits aller Zeit seinen eingeborenen Sohn gebiert. Was in der Ewigkeit geschieht, das ist überall dort gegenwärtig, wo ein Mensch sich in die Ewigkeit versetzt (K. Johne) Und deshalb kann im Menschen das geschehen, was in Gott geschieht. Die Welt fließt aus Gott und in ihn zurück, aber unaufhörlich. Die Schöpfung vollzieht sich jetzt und die Erlösung auch. Alles, was aus Gott geflossen ist, hat das Bedürfnis, zu Gott zurückzukehren. 

Alles ist in Gott. Und im göttlichen Bereich gibt es weder Raum noch Zeit. Es gibt sozusagen zum Einen die Existenzweise in Raum und Zeit und andererseits die in Gott, oberhalb der Zeit. Und beide Existenzweisen fallen aber in eins zusammen. So kann Eckhart sagen: „Was am ersten und am jüngsten Tag geschieht, ist dort gegenwärtig“ (Pr. 3, 41)

Gott steht außerhalb von Raum und Zeit beziehungsweise ist über Raum und Zeit erhaben. Der unendliche Gott, der über Raum und Zeit erhaben ist, begibt sich aber in Beziehung zum Menschen. In verschiedener Weise. Den Schwerpunkt legt Eckhart dabei auf die Beziehung zwischen Gott und Mensch, die sich im Inneren des Menschen abspielt. Und dafür nutzt er verschiedene Bilder und Modelle, zum Beispiel:

Die Seele ist wie ein Tempel, in dem Gott wohnt.

Oder wie ein Brunnen, in dessen Tiefe Gott zu finden ist: Brunnen Tr1, 321. Er sprudelt dort wie eine Quelle.

..........Stille..........

Ein Bild, dass Eckhart gern für die intensive Beziehung zwischen Gott und Mensch benutzt, ist die „Gottesgeburt“. Logisch ist das folgendermaßen: Im göttlichen Bereich geht immerwährend der Sohn aus dem Vater hervor. 

Im Glaubensbekenntnis heißt es: Aus dem Vater geboren vor aller Zeit. Das „vor aller Zeit“ ist keine zeitliche Aussage, sondern eine wesensmäßige. Außerhalb der Zeit geht der Sohn immerwährend aus dem Vater hervor.

Diese Aussage entspricht dem Glaubensbekenntnis schon der frühen Kirche. Und aus der Tauftheologie der frühen Kirche stammt die Vorstellung von der Einwohnung Gottes im Herzen der Gläubigen. Schon dort wird geglaubt, dass Gott im Herzen der Gläubigen wohnt. Dann ist es eine logische Schlussfolgerung: Wenn Gott im Inneren des Menschen wohnt und immerwährend seinen Sohn aus sich hervorgehen lässt, wird immerwährend im Menschen Gottes Sohn geboren. Im Gebären des Sohnes Gottes gibt es eine Ähnlichkeit zwischen Maria und jedem anderen Menschen. Während Maria den Sohn Gottes leiblich gebiert, kann jeder Mensch ihn geistig gebären. Und Maria hätte nicht mit Jesus schwanger werden können, so Eckhart, hätte sie ihn nicht vorher geistig geboren. Man kann sozusagen in dreifacher Hinsicht von einem Hervorgehen, einer Geburt des Sohnes Gottes, sprechen: dem Hervorgehen aus dem Vater, der Geburt aus Maria, und der Geburt, dem In-die-Welt-Kommen im Inneren des Menschen. Zitat Eckhart:

So wahr der Vater in seiner einfaltigen Natur seinen Sohn gemäß seiner Natur gebiert, so wahr gebiert er ihn in das Innigste des Geistes, und dies ist die innere Welt. Da ist Gottes Grund mein Grund und mein Grund Gottes Grund. Predigt In hoc apparuit caritas Die in nobis Pr 39?

..........Stille..........

Der Vater gebiert seinen Sohn in der Ewigkeit sich selbst gleich …. Noch sage ich überdies: Er hat ihn geboren aus meiner Seele. Nicht allein ist sie bei ihm und er bei ihr als gleich, sondern er ist in ihr; und es gebiert der Vater seinen Sohn in der Seele in derselben Weise wie er ihn in der Ewigkeit gebiert … Er muss es tun, sei es ihm lieb oder leid. Der Vater gebiert seinen Sohn ohne Unterlass … (Pr.6)

..........Stille..........

Gott ist im Tiefsten der menschlichen Seele – oder wie immer man das nennt – gegenwärtig. Gottes Grund und mein Grund haben sozusagen einen Berührungspunkt, wie zwei Trichter. Das ist natürlich alles nur ein Bild und letztlich nicht auszudrücken. Ich versuche es trotzdem, und zwar mit Hilfe eines Modells:

[Modell zeichnen]

Der Mensch hat danach einen äußeren, einen mittleren und einen inneren Bereich. Der äußere Bereich hat den Kontakt und die Beziehung zur Außenwelt durch die Sinne und die äußere Wahrnehmung. 

Der mittlere Bereich kann sich zum äußeren Bereich verhalten. Die Einstellung wird durch Denken, Reflexion, Gefühle und Entscheidungen, die dem Willen zugeordnet werden, und tiefe Erinnerung bestimmt. In dem Sprachgebrauch damals: Intellekt, Gedächtnis, Wille.

Und dann gibt es noch den innersten Bereich, der mit Gott in ganz besonderer Weise in Beziehung sein kann. Das Innerste ist auf Gott hin offen.

Es ragt sozusagen in den göttlichen Bereich, der Raum und Zeit übersteigt. 

Vom Innersten her kann der Mensch sich verändern, der Intellekt bildet dann den Glauben aus, das Gedächtnis die Hoffnung und der Wille die Liebe.

Die Modelle, die Eckhart verwendet, variieren aber auch. Im Traktat vom edlen Menschen unterscheidet Eckhart den inneren und den äußeren Menschen. Bezüglich des inneren Menschen schreibt Eckhart:

Der andere Mensch, der in uns steckt, das ist der innere

Mensch, den heißt die Schrift einen neuen Menschen,

einen inneren Menschen, einen himmlischen

Menschen […] und einen edlen Menschen.'“ (315)

Meister Eckharts Thema ist also der innere Mensch, der äußere

interessiert insofern, als er vom inneren Menschen beeinflusst

wird. Denn es gibt auch eine Wirkung von Gott über den

inneren Menschen auf den Äußeren. 

Zeigen 

..........Stille..........

Den inneren Menschen, vergleicht Eckhart einmal mit einem 

Acker. Da heißt es: Der innere Mensch, ist wie ein 

Acker, in den Gott sein Bild und Gleichnis eingesät hat

 und darein er den guten Samen, die Wurzel aller

 Weisheit, aller Künste, aller Tugenden, aller Güter sät:

 den Samen göttlicher Natur (2 Petr 1,4). Göttlicher

 Natur Same, das ist Gottes Sohn, Gottes Wort. (Lk

8,11)“ (Tr 1b,317) Und einige Zeilen weiter: „Keine

vernunftbegabte Seele ist ohne Gott. Der Same Gottes

ist in uns.“ (Tr 1b,319) Also in jeden Menschen ist Gott

 eingesät! Es scheint allerdings Unterschiede zu geben, wie weit

 Gott wachsen kann, wie weit er zum Zuge kommen kann, wie

 weit er das Leben des Menschen bestimmen kann. Es gibt wohl

unterschiedliche Acker für den Samen. Ich zitiere: „Der Same

Gottes ist in uns. Hätte er einen guten, weisen und

fleißigen Acker, so würde er um so besser gedeihen und

wüchse auf zu Gott, dessen Same er ist, und die Frucht

würde gleich der Natur Gottes. Birnbaums Same

erwächst zum Birnbaum, Nussbaums Same zum

Nussbaum, Same Gottes zu Gott (vgl. 1 Joh 3,9).

Ist's aber so, dass der gute Same, dass der Same einen 

törichten und bösen Acker hat, so wächst Unkraut und

bedeckt und verdrängt den guten Samen, so dass er 

nicht ans Licht kommt, noch auswachsen kann. Doch

spricht Origenes, ein großer Meister: Da Gott selbst

diesen Samen eingesät und eingedrückt und eingeboren

hat, so kann er wohl bedeckt und verborgen und doch

niemals getilgt noch in sich ausgelöscht werden; er 

glüht und glänzt, leuchtet und brennt und neigt sich

ohne Unterlass zu Gott hin.“ 

Das finde ich ungeheuer tröstlich. Gott ist als Same erst einmal 

in jedem anwesend.

Von Gott zu Gott: Er sät seinen Samen in mich, geht in mir auf 

und wächst zu sich selbst hin. Wir sind in einen Kreislauf hinein

gebunden, in Gott hinein gebunden.

..........Stille..........

Gott ist jedem Menschen nah, ja inwendig. Trotzdem liegt es am Menschen, ob er sich Gott öffnet. Im Bild: Gott steht vor der Tür des Herzens. Der Mensch braucht sie nur zu öffnen. Im gleichen Augenblick ist Gott drin. Meister Eckhart schreibt: 

Du brauchst Gott nicht zu suchen. Er ist nicht ferner als vor der Tür deines Herzens; da steht Er und wartet und harrt, dass Er dich bereit findet, dass du Ihm auftust und Ihn einlässt. Du brauchst Ihn nicht von fern her zu rufen, sondern dich nur nach innen wenden: Gott ist uns nahe ... Gott ist drinnen ... Gott ist unsere innere Heimat.“

..........Stille............

Gott wartet ungeduldiger als du, dass du dich ihm öffnest; Ihn verlangt tausendmal dringender nach dir als dich nach Ihm.

Und Gott lockt auf vielfältige Weise. Er wirft seine Angel aus, die Angel der Liebe.

…Und darum lauert uns Gott mit nichts so auf wie mit der Liebe. Denn mit der Liebe ist es wie mit der Angelrute des Fischers. Der Fischer kann den Fisch nicht fangen, wenn er nicht an der Angel hängt. … In diesem Sinn rede ich von der Liebe: Wer von ihr gefangen wird, der trägt die stärkste Fessel und doch eine süße Last. Wer diese Last auf sich genommen hat, der erreicht mehr und kommt damit weiter als mit aller Bußübung und Askese, die alle Menschen je üben könnten. Er kann auch heiter all das Leiden und ertragen, was ihn anfällt und Gott über ihn verhängt, und er kann auch gütig allen vergeben, was man ihm Übles antut. Nichts macht dich Gott so zu eigen wie dieses süße Band … darum suche allein diese Angel, dann wirst du liebevoll gefangen, und umso mehr gefangen, umso mehr befreit.“ Einheit in Sein und Wirken 180

Liebevoll gefangen und umso mehr befreit.

..........Stille..........

Die Beziehung zu Gott ist für Meister Eckhart das Wichtigste. Dafür kann alles gelassen werden. Auf dem Weg zum inneren Grund können alle möglichen eigenen Interessen den Menschen ablenken oder aufhalten.

Es kommt darauf an, an nichts zu kleben, frei zu sein. An äußeren Dingen sein Herz zu hängen, bringt eher Probleme oder sogar Leid, meint Eckhart. Und was bei einem Verlust traurig macht, zeigt, woran das Herz gehangen hat. Manchmal sei ein Schaden sogar nützlich, sagt Eckhart: „Nun sage ich weiter, dass alles Leid aus der Liebe zu dem kommt, was mir der Schaden genommen hat. Ist mir denn nun ein Schaden an äußeren Dingen leid, so ist dies ein wahres Zeichen dafür, dass ich äußere Dinge liebe und in Wahrheit also Leid und Untrost liebe. Was Wunder also, wenn ich nun in Leid gerate, wenn ich Leid und Untrost liebe und suche? Mein Herz und meine Liebe eignet der Kreatur das Gutsein zu, das Gottes Eigentum ist. Ich kehre mich der Kreatur zu, von der naturgemäß Untrost kommt, und kehre mich von Gott ab, von dem aller Trost ausfließt. Wie kann es denn Wunder nehmen, dass ich in Not gerate und traurig bin? Wahrlich, es ist Gott und aller dieser Welt wirklich unmöglich, dass der Mensch wahren Trost findet, der Trost sucht bei den Kreaturen. Wer aber Gott allein bei den Kreaturen liebte und die Kreatur allein in Gott, der fände wahren, rechten und gleichen Trost allerorten.“ (243)

Mensch darf auch die Geschöpfe lieben, aber es ist eben ein Unterschied, ob die Geschöpfe das Oberste sind, oder Gott. Ist Gott das umfassende Ziel, werden auch die Geschöpfe geliebt, aber in Ihm.

..........Stille..........

Jesus ist Mensch geworden, hat die menschliche Natur angenommen, daraus folgt für Eckhart, dass alle Menschen gleich geliebt werden sollen.

Es ist eine besondere Liebe, die nicht vereinnahmt. Über einen Menschen, der so liebt, schrieb Eckhart:

Freunde liebt er in Gott, Feinde um Gottes willen, und alles, was Gott geschaffen hat, das liebt er im Hinblick auf Gott, unsern Herrn, soweit es zu Gott hin förderlich ist. (Pr. 61)

Diese Liebe ist auch mit einer Art Loslassen verbunden

Ich zitiere Eckhart weiter: „Und das meinte wohl auch Gott, wenn er sprach: 'Wer da lässt Vater und Mutter, Bruder und Schwester, Hof und Acker oder was es sei, der wird das Hundertfache und das ewige Leben empfangen.' (Matth 19,29) Sicherlich wage ich in Gottes Wahrheit und bei meiner Seligkeit zu sagen, dass der, der um Gottes und um der Gutheit willen Vater und Mutter, Bruder und Schwester oder was es sei, verlässt, das Hundertfache empfängt auf zweierlei Weise: die eine Weise ist die, dass ihm sein Vater, seine Mutter, Bruder und Schwester hundertfach lieber werden, als sie jetzt sind. Die andere Weise ist die, dass nicht nur hundert, sondern alle Leute, insofern sie Leute und Menschen sind, ihm ungleich lieber werden, als ihm jetzt von Natur aus Vater, Mutter und Bruder lieb sind.“ (255) 

Wer alles lässt, bekommt alles in Gott zurück. Und noch mehr. Er kann alles und jeden in Gott lieben.

..........Stille..........

Gott will für jeden Menschen das Beste. Auch wenn er Leiden zumutet.

Er (Gott) gibt einem jeden nach dem, was sein Bestes ist und für ihn passt. (RdU 23, 427f)

Eckhart akzeptiert alles, was ihm geschieht und hält es für den Willen Gottes. Dabei kann er ohne Angst leben, denn er ist überzeugt:

Er (Gott) gibt einem jeden nach dem, was sein Bestes ist und für ihn passt.

Gott kümmert sich um jeden einzelnen Menschen, so kann der Mensch sich Gott überlassen. Er braucht sich nicht um sich selbst zu sorgen. Das macht frei und der Mensch kann sich nun Gott zuwenden. Und dem, was im Interesse Gottes ist. Den eigenen Willen kann der Mensch Gott angleichen. Jedenfalls ist das für Eckhart wünschenswert. Und es bringt Freude. 

Und das Schönste ist eigentlich, dass Gott dann im Menschen Raum gewinnt. Eckhart: „Wo der Mensch [...] aus seinem Ich herausgeht und sich des Seinen entschlägt, ebenda muss Gott notgedrungen hinwiederum eingehen; denn wenn einer für sich selbst nichts will, für den muss Gott in gleicher Weise wollen wie für sich selbst.“ (RdU 335)

Ist der Mensch frei von Sorge um sich, sorgt Gott für ihn, und der kann es viel besser als der Mensch. Gott will dann für den Menschen wie für sich selbst. 

Der Mensch braucht nicht einmal um konkrete Sachen bitten. Ich brauche „nur“ wollen, was Gott will und dann wird alles gut für mich. Für Eckhart ist das ideale Gebet: „Herr gib mir nichts, als was du willst, und tue, Herr, was du willst, in jeder Weise.“ (RdU 1, 337) Das erinnert an das Vaterunser. „Dein Wille geschehe“, heißt es ja da. So ein Gebet kann ein Hinweis darauf sein, dass der Mensch „aus seinem Ich heraus gegangen ist in Gott hinein.“ (337)

..........Stille..........

Dem liegt zugrunde die Verheißung oder das Versprechen: Gott lebt in dir und du kannst in Gott eingehen. Du kannst Dich sogar mit Gott vereinen. Gott ist dir immer gegenwärtig. Du bist nie ohne ihn. Er will dein Bestes. Wenn Du seinen Willen an dir geschehen lässt, wird alles unüberbietbar gut. Mensch kann sich ruhig loslassen, von sich selbst absehen. Sich ganz Gott überlassen.

Eckhart hätte gern Menschen, die ihren Willen dem Willen Gottes anpassen und kein Augenmerk auf ihr Eigenes legen. Dafür wird der Mensch dann in Gott versetzt. Er schreibt (Kap.11, 369): „Das allein wäre ein vollkommener und wahrer Wille, dass man ganz in Gottes Willen getreten und ohne Eigenwille wäre. Und wer darin mehr erreicht hat, der ist umso mehr und wahrer in Gott versetzt.“ Der Mensch in Gott und Gott im Menschen und dafür lohnt es sich alles zu lassen. 

Es bleibt die große Herausforderung:

Der Mensch „soll sich zuerst selbst lassen, dann hat er alles gelassen“ (341)

 „Richte dein Augenmerk auf dich selbst, und wo du dich findest, da lass von dir ab; das ist das Allerhöchste.“ (RdU 3, 341)

..........Stille..........

Aber diese Gelassenheit ist eben kein Verlust, sondern Gewinn. Dadurch wird der Mensch frei. (RdU 5)

Es gibt eine dialektische Einheit von Loslassen und Gewinnen, arm sein und der Fülle aller guten Gaben, ja Gott selbst mit allem, was ist. Loslassenkönnen hängt mit der Haltung der Armut zusammen. Und das wieder mit wahrem Reichtum.

Eckhart: Denn der Besitz unserer Ehre soll nicht unser sein, sondern nur ihm. Wir vielmehr sollen alle Dinge nur so haben, als ob sie uns geliehen seien und nicht gegeben, ohne jeden Eigenbesitz, es sei Leib oder Seele, Sinne, Kräfte, äußeres Gut oder Ehre, Freunde, Verwandte, Haus, Hof und alle Dinge.

Was beabsichtigt aber Gott damit, dass er darauf so sehr erpicht ist? Nun, er will selbst allein und gänzlich unser Eigen sein. Dies will und erstrebt er und darauf allein hat er es abgesehen, dass er's sein könne und dürfe. Hier liegt seine größte Wonne und Lust. Und je mehr und umfassender er das sein kann, umso größer ist seine Wonne und seine Freude; denn je mehr wir von allen Dingen zu eigen haben, umso weniger haben wir Gott zu eigen, und je weniger Liebe zu allen Dingen wir haben, umso mehr haben wir ihn mit allem, was er zu bieten vermag. Darum, als unser Herr von allen Seligkeiten reden wollte, da setzte er die Armut des Geistes zum Haupt ihrer aller, und sie war die erste zum Zeichen dafür, dass alle Seligkeit und Vollkommenheit samt und sonders ihren Anfang haben in der Armut des Geistes.“ (423f) Armut des Geistes, Nichts sein Eigen nennen, an nichts kleben und nichts nur für sich erstreben. Das ist bei Meister Eckhart in erster Linie eine innere Einstellung, unabhängig von wirklichem Eigentum: „Haben als haben wir wir nicht“, wie es in der Bibel heißt. Unabhängig von den Dingen. Dafür wird Gott gewonnen. Und alles andere auf einer neuen Weise dazu.

Es lohnt sich, sich ganz Gott zu überlassen, sich auf ihn hin zu lassen. Ich zitiere: Ein Mensch, der sich so gänzlich dem Seinen aufgegeben hätte, wahrlich, der wäre so völlig in Gott versetzt, dass, wo man den Menschen anrühren sollte, man zuerst Gott anrühren müsste; denn er ist rundum in Gott, und Gott ist um ihn herum wie meine Kappe mein Haupt umschließt … Fürwahr, ein Mensch, der sich des Seinen ganz entäußert hätte, der würde so mit Gott umhüllt, dass alle Kreaturen ihn nicht zu berühren vermöchten, ohne zuerst Gott zu berühren und was an ihn kommen sollte, das müsste durch Gott hindurch an ihn kommen ... Wie groß ein Leiden auch sei, kommt es über Gott, so leidet erst Gott darunter. Ja, bei der Wahrheit, die Gott selber ist: Nimmer ist ein Leiden, das den Menschen befällt, so geringfügig, etwa ein Missbehagen oder eine Widerwärtigkeit, dass es nicht, sofern man etwas in Gott setzt, Gott unermesslich mehr berührte als den Menschen und es ihm nicht mehr zuwider wäre, als es dem Menschen zuwider ist. Erduldet er es aber um so viel Gutes willen, das er für dich vorgesehen hat und bist du willens es zu leiden, was Gott leidet und über ihn an dich kommt, so wird es naturgemäß gotthaft, Verachtung wie Ehre, Bitterkeit wie Süßigkeit und die tiefste Finsternis wie das klarste Licht: alles empfängt seinen Geschmack und wird göttlich, denn es artet sich alles nach ihm, was den Menschen ankommt, strebt er ja nach nichts anderem und schmeckt ihm ja nichts anderes; und darum ergreift er Gott in aller Bitterkeit wie in der größten Süßigkeit …

..........Stille..........

Je mehr wir uns selbst zu eigen sind, umso weniger sind wir Gott zu eigen. Der Mensch der sich des Seinen entäußert hätte, der könnte Gott nie bei irgendwelchem Tun vermissen. Geschähe es aber, dass der Mensch fehltrete oder fehlspräche oder ihm Dinge, die unrecht wären, unterliefen, dann muss Gott, der bei Beginn in dem Werke war, zwangläufig auch den Schaden auf sich nehmen; du aber sollst darum keinesfalls von dem Werk ablassen … Von solchen Vorfällen kann man in diesem Leben nie ganz verschont bleiben. Aber deshalb, weil dann und wann Rade unter das Korn fällt, darum soll man das edle Korn nicht verwerfen. Wahrlich, wer rechten Sinnes wäre und sich auf Gott wohl verstünde, dem gerieten alle solche Leiden und Vorfälle zu großem Segen. Denn dem Guten schlagen alle Dinge zum Guten aus …: ja, selbst die Sünden‘. RdU 11

..........Stille..........

Und Gott ist dem Menschen überall innerlich, egal, wo er ist, in der Kirche oder zwischen Menschen, ob er seinem Geschäft nachgeht oder Muße hat. Niemand kann diesen Menschen von Gott trennen. Und überall ist ihm Gott gegenwärtig.

Und sein ganzes Leben wird von Gott geprägt. Er wird durchlässig für Gottes Wirken. Meister Eckhart „Mit wem es recht steht, wahrlich, dem ist's an allen Stätten und unter allen Leuten recht. Mit wem es unrecht steht, für den ist's an allen Stätten und unter allen Leuten unrecht. Wer aber recht daran ist, der hat Gott in Wahrheit bei sich; wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten ebenso gut wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der Zelle; wenn anders er ihn recht hat und nur ihn hat, so kann einen solchen Menschen niemand behindern. Weil er einzig Gott hat und es nur auf Gott absieht und alle Dinge ihm lauter Gott werden. Ein solcher Mensch trägt Gott in allen seinen Werken und an allen Stätten, und alle Werke dieses Menschen wirkt allein Gott. […] So kann also diesen Menschen niemand behindern, denn er erstrebt und sucht nichts, und es schmeckt ihm nichts als Gott; denn der wird mit dem Menschen in allem seinem Streben vereint.

Und Gott hat für jeden seinen individuellen Weg, für den Menschen ist es allerdings nicht immer einfach, seinen spezifischen Weg zu finden. Aber es lohnt sich, ein Gespür für die je eigene Aufgabe zu entwickeln. 

Eckhart sagt: „Achte darauf, worin deine Nachfolge bestehen kann. Du musst erkennen und darauf gemerkt haben, wozu du von Gott am stärksten gemahnt seist; denn mitnichten sind die Menschen alle auf einen Weg zu Gott gerufen, wie Sankt Paulus sagt (1 Kor. 7,24).“ (RdU 17,385) […] Denn Gott hat der Menschen Heil nicht an eine besondere Weise gebunden. Was eine Weise hat, das hat die andere nicht; das Leistungsvermögen aber hat Gott allen guten Weisen gegeben, und keiner guten Weise ist es versagt, denn ein Gutes ist nicht wider das andere. […] Man soll niemandes Weise verachten.“ Eckhart meint, wenn der Mensch seiner eigenen Weise nachgeht, hat er alle anderen miteingeschlossen. Anders gesagt vielleicht: In der je eigenen Weise ist die Gesamtheit aller Weisen gegenwärtig. Wer seine eigene Weise lebt, nimmt Anteil an allen Weisen. Wie wenn man an einer Ecke des Tischtuchs zieht und daran das ganze bekommt. Es ist sozusagen mein spezifischer Zugang zur Gesamtheit. In erster Linie Gott „im Auge“ zu haben, darauf kommt es an. Die Lebensart ergibt sich dann. Und da muss jeder seine eigene Weise finden. Ob nun äußere Armut oder Reichtum dran ist, wird sich zeigen. Das Innere ist für Eckhart das Entscheidende, das innere Ausgerichtetsein auf Gott. Äußeres Nichthaben oder Haben ist zweitrangig. Davon soll sich der Mensch nicht abhängig machen. Hauptsache der Mensch überlässt sich Gott. 

Ich zitiere weiter Eckhart: 

Und so erachte ich dies als besser denn alles: dass der Mensch sich völlig Gott überlasse, so dass, wenn immer Gott irgendetwas ihm aufbürden wolle, sei's Schmach, Mühsal, oder was es sonst für ein Leiden sei, er es mit Freuden und Dankbarkeit hinnehme und sich mehr von Gott führen lasse, als dass der Mensch sich selbst darein versetze. Und darum lernet gern von Gott in allen Dingen und folget ihm, so wird’s recht mit euch! Und dabei kann man dann auch Ehre und Gemach hinnehmen. Befiele den Menschen aber Ungemach und Unehre, so würde man auch die ertragen und gern ertragen wollen.“ (391)

Also zusammengefasst: „Wer rechten Sinnes ist, der empfinge im Darben wie im Haben“ (RdU 23, 431) 

...........Stille..........

Dieser Mensch ist in Ruhe und Unruhe auf den geliebten Gott ausgerichtet, der für ihn überall durchscheint. Unabhängig von äußeren Gegebenheiten. Gleichzeitig wird alles Äußere von dieser Liebe durchstrahlt. 

Überall hat dieser Mensch Gott im Auge und ist auf ihn ausgerichtet.

Dazu braucht er nicht von der Welt abgekehrt zu leben. Seine Liebe und Sehnsucht nach Gott kann er in sich selbst hüten und aufblühen lassen.

Und diese Liebe und Sehnsucht beeinflusst auch die Sicht der Welt, die Dinge bekommen dann ihre Bedeutung von Gott her.

Meister Eckhart, Zitat:

Dieser Mensch findet weit mehr Lob vor Gott, weil er alle Dinge als göttlich und höher erfasst als sie in sich selbst sind. […] dazu gehört Eifer und Hingabe und ein genaues Achten auf des Menschen Inneres und ein waches, wahres, besonnenes, wirkliches Wissen darum, worauf das Gemüt gestellt ist mitten in den Dingen und unter den Leuten. Dies kann der Mensch nicht durch Fliehen lernen, in dem er vor den Dingen flüchtet und sich äußerlich in die Einsamkeit kehrt; er muss vielmehr eine innere Einsamkeit lernen, wo und bei wem er auch sei. Er muss lernen, die Dinge zu durchbrechen und seinen Gott darin zu ergreifen und den kraftvoll in einer wesenhaften Weise in sich hineinbilden zu können. Vergleichsweise wie jemand, der schreiben lernen will.“ Meint: Das will geübt sein. So auch soll der Mensch von göttlicher Gegenwart durchdrungen und mit der Form seines geliebten Gottes durchformt und in ihm verwesentlicht sein, so dass ihm sein Gegenwärtigsein ohne alle Anstrengung leuchte, dass er überdies in allen Dingen Bindungslosigkeit gewinne und gegenüber den Dingen völlig frei bleibe. Dazu gehört zu Beginn notwendig Überlegung und ein aufmerksames Einprägen wie beim Schüler seine Kunst.“ (351f)

Meister Eckhart geht also davon aus, dass Übung notwendig ist. Ist der Mensch im Innersten an Gott angedockt, kann Gott in ihm und durch ihn wirken. Er selbst erwartet aber nichts für sich selbst dafür, ist frei von Eigeninteresse, „ohne Warumwillen“, nennt das Eckhart. 

Aus diesem innersten Grund sollst du alle deine Werke ohne Worumwillen wirken. Ich sage fürwahr: Solange du deine Werke wirkst um des Himmelreiches oder um Gottes oder um deiner ewigen Seligkeit willen, also von außen her, so ist es wahrlich nicht recht um dich bestellt. Man mag dich zwar wohl hinnehmen, aber das Beste ist es doch nicht … Wer das Leben fragte 1000 Jahre lang: Warum lebst du? – könnte es antworten, es spräche nichts anderes als: Ich lebe darum, dass ich lebe … Es lebt ohne Warum. Wer nun einen wahrhaftigen Menschen, der aus seinem eigenen Grunde wirkt, fragte: Warum wirkst du deine Werke? – sollte er recht antworten, er spräche nichts anderes als: Ich wirke darum, dass ich wirke. (5b)

..........Stille..........

Das Tun kommt aus dem Sein. Der Schwerpunkt liegt auf dem Sein, das Wirken ergibt sich dann. Eckhart:

Die Leute brauchten nicht so viel nachzudenken, was sie tun sollten; sie sollten vielmehr bedenken, was sie wären. Wären nun die Leute gut und ihre Weise, so könnten ihre Werke hell leuchten. Bist du gerecht, so sind auch deine Werke gerecht. Nicht gedenke man Heiligkeit zu gründen auf ein Tun; man soll Heiligkeit vielmehr gründen auf ein Sein, denn die Werke heiligen nicht uns, sondern wir sollen die Werke heiligen. ... Erkenne hieraus, dass man allen Fleiß darauf verwenden soll, gut zu sein, – nicht aber so sehr darauf, was man tue oder welcher Art die Werke seien, sondern wie der Grund der Werke sei.“ (RdU 4,343) ... „Der Grund, an dem es liegt, dass des Menschen Wesen und Seinsgrund, von dem des Menschen Werke ihre Gutheit beziehen, völlig gut sei, ist dies: dass des Menschen Gemüt gänzlich zu Gott gekehrt sei. Darauf setze all dein Bemühen, dass dir Gott groß werde, und dass all dein Streben und Fleiß ihm zugewandt sei in allem deinem Tun und Lassen. ... Hafte Gott an, so hängt dir alles Gutsein an. Suche Gott, so findest du Gott und alles Gute dazu. …. Wer Gott anhaftet, dem haftet Gott an und alle Tugend. […].

..........Stille..........

Eckhart hat ja immer Angst, der Mensch könne sich zerstreuen und sein Herz an Dinge hängen oder an Status; es könnte ihm irgendetwas wichtiger werden als Gott. Der Mensch würde dann „unwesentlich“. Eckhart betont, man muss aber deshalb den Umgang mit den Dingen nicht lassen. Die Dinge an sich hindern nicht; der Mensch hindert sich höchstens selbst, wenn er nicht die richtige Einstellung zu ihnen hat. Wenn er sich an die Dinge hängt anstatt sie frei zu gebrauchen. Wenn das Herz aber Gottes voll ist, kann das nicht passieren. Ich zitiere Eckhart: „wir sollen uns alle Dinge in hohem Maße zunutze machen, sei's, was immer es sei, wo wir sein, was wir sehen oder hören mögen, wie fremd und ungemäß es uns auch sei ... Und nimmer soll der Mensch darin zu Ende kommen; vielmehr kann er darin ohne Unterlass wachsen und immer mehr erreichen in einem wahren Zunehmen.“ Der Mensch soll also völlig offen der Welt und den Dingen gegenüber sein – mit einem Herzen, dass Gottes voll ist.

Gerade dadurch ist es ja frei von Eigeninteresse und kann vorbehaltlos allem begegnen. Und vernünftig. Eckhart hält sehr viel von der menschlichen Vernunft. Ich zitiere weiter: „Und der Mensch soll in all seinen Werken und bei allen Dingen seine Vernunft aufmerksam gebrauchen und bei allem ein einsichtiges Bewusstsein von sich selbst und seiner Innerlichkeit haben und in allen Dingen Gott ergreifen in der höchsten Weise, wie es möglich ist. Denn der Mensch soll sein, wie unser Herr sprach: 'Ihr sollt sein wie Leute, die allzeit wachen und ihres Herrn harren'. … Solche Leute sind wachsam und sehen sich um, von wannen er komme, dessen sie harren, und sie erwarten ihn in allem, was da kommt, wie fremd es ihnen auch sei, ob er nicht doch etwa darin sei. So sollen auch wir in allen Dingen bewusst nach unserm Herrn ausschauen. Dazu gehört notwendig Fleiß, ...; dann wird’s recht mit den Leuten und sie ergreifen Gott in allen Dingen gleich, und sie finden in Gott gleichviel von allen Dingen.“ (RdU 7, 353f)

Eckhart wünscht einen Menschen, der in allem gleich Gott zugekehrt ist. Und sehr aufmerksam, denn überall erwartet er Gott. Gott kommt ihm in allem Geschehen und Aufgaben entgegen. In allem, was auf den Menschen zu kommt, kommt Gott. In allem, was geschieht, darf der Mensch sich von Gott angesprochen fühlen. Dann findet der Mensch Gott in allen Dingen. Es ist ein sehr spannendes Leben, wenn der Mensch überall auf Gott trifft. 

Ein Mensch, der in jeder Situation zuerst danach fragt, was Gott jetzt von ihm erwartet. Und immer im Sinne Gottes wirkt, mit Gott zusammen wirkt,

unabhängig von eigenen Befindlichkeiten. (RdU 23, 421)

Mit Gott in Einklang leben und wirken, innen und außen, das ist das Höchste.

Und wenn das Herz Gottes voll ist wird das Tun davon geprägt. 

Gott leuchtet dann hinter allen Dingen hervor, aus allen Dingen heraus.

Nie ist Gott vom Menschen entfernt. 

Ich zitiere Meister Eckhart: „Der Mensch soll sich in keiner Weise je als fern von Gott ansehen, weder wegen eines Gebresten noch wegen einer Schwäche noch wegen irgendetwas sonst. Und wenn dich auch je deine großen Vergehen soweit abtreiben mögen, dass du dich nicht als Gott nahe ansehen könntest, so sollst du doch Gott als dir nahe annehmen. […] ob der Mensch nun in der Ferne oder in der Nähe wandele: Gott geht nimmer in die Ferne, er bleibt beständig in der Nähe.“ (RdU 17,385)

Gott ist auch nah, wenn man ihn nicht spürt. Eckhart sagt, das Empfinden des Gemütes könne zuweilen Gott vermissen. Er fragt, was dann zu tun sei. Ich zitiere: „Wohl aber vermisst ihn das Empfinden des Gemütes zuweilen und wähnt oft, Gott sei fortgegangen. Was sollst du dann tun? Genau dasselbe, was du tätest, wenn du im größten Trost wärest; dasselbe lerne zu tun, wenn du im größten Leiden bist [...] Es gibt keinen gleich guten Rat, Gott zu finden, als ihn dort zu finden, wo man ihn fahren lässt. Und wie dir war, als du ihn zuletzt hattest, so tu auch nun, da du ihn vermissest, so findest du ihn. Der gute Wille indessen verliert oder vermisst Gott nie und nimmer.“ (RdU 11, 365f) 

Die Befindlichkeiten dabei sind nicht so wichtig. Auch die können Gott überlassen werden.

Schließen möchte ich mit einem Gebet von Dag Hammarskjöld:

Gott, Du bist lebendig

Ich beginne die Reise nach innen.

Ich reise in mich hinein zum innersten Kern meines Seins, wo Du wohnst.

An diesem tiefsten Punkt meines Wesens bist Du immer schon vor mir da,

schaffst, belebst, stärkst ohne Unterlass meine ganze Person.

Gott, Du bist lebendig.

Du bist in mir.

Du bist hier.

Du bist jetzt.

Du bist der Grund meines Seins.

Ich lasse los.

Ich sinke und versinke in Dir.

Du überflutest mein Wesen.

Du nimmst von mir Besitz.

Ich lasse meinen Atem zu diesem Gebet der Unterwerfung unter dich werden.

Mein Atem, mein Ein- und Ausatmen, ist Ausdruck meines ganzen Wesens.

Ich tue es für Dich – mit Dir in Dir.

Dag Hammarskjöld


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Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers.

 

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