Sperrfrist
Do, 30. Mai 2024, 10.00 Uhr

Do
10.00–11.00
in Deutscher Gebärdensprache
Gottesdienste zum Hochfest Fronleichnam | Gottesdienst
"Zukunft hat der Mensch des Friedens" (Ps 37,37b)
Wortgottesdienst zum Hochfest Fronleichnam
Bischof Dr. Ulrich Neymeyr, Erfurt
Dr. Ulrike Lynn, Bistumsbeauftragte für die europäische Kulturhauptstadt Chemnitz 2025, Chemnitz

Bischof Dr. Ulrich Neymeyr:

Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,

ich möchte Ihnen Frau Dr. Ulrike Lynn vorstellen. Sie stammt aus Erfurt, hat in Berlin Sprachwissenschaften studiert und ist jetzt die Beauftragte der katholischen Kirche für die europäische Kulturhauptstadt 2025, die überraschenderweise nicht Erfurt ist, sondern Chemnitz.

Dr. Ulrike Lynn:

Und neben mir steht – wahrscheinlich vielen von Ihnen bekannt – Bischof Dr. Ulrich Neymeyr. Seit 2014 ist er Bischof von Erfurt, stammt aber überraschenderweise gar nicht aus Erfurt, sondern aus Mainz.

Bischof Dr. Ulrich Neymeyr:

In dem langen Psalm 37, den wir eben gehört haben und der in seiner ganzen Länge auf den Domstufen liegt, war ganz viel von Frevlern und von Gerechten die Rede. Das sind Begriffe, die wir eigentlich in unserer alltäglichen Sprache nicht verwenden. An Sie als Sprachwissenschaftlerin: Was sind Frevler und was sind Gerechte?

Dr. Ulrike Lynn:

Unter den Gerechten können wir uns wahrscheinlich alle etwas vorstellen. Gerecht ist, wer bestimmten allgemeinen oder sachlichen Normen entspricht. 

Gerechte haben meist ein faires und ausgewogenes Wertesystem, nach dem sie handeln und von dem sie erwarten, oder sich zumindest erhoffen, dass andere auch daran Maß nehmen. 

Frevler dagegen scheinen nur ihren eigenen Vorteil im Sinn zu haben. Heutzutage sagt niemand mehr Frevler zu jemandem, der egozentrisch oder sogar mutwillig böse handelt, also: Böses im Sinn hat. 

Ich habe mal im Synonym-Wörterbuch nachgeschlagen. Andere Bezeichnungen für Frevler sind beispielsweise Übeltäter oder Missetäter, aber auch das sagt im Alltag ja kaum jemand mehr. 

In der einfachen Sprache – wir haben es eben gehört – ist es mit böse Menschen übersetzt … in jedem Falle können wir die Frevler wahrscheinlich Sünder nennen. 

Bischof Dr. Ulrich Neymeyr:

Das hilft weiter. Der Psalm 37 beschreibt den Gerechten als hilfsbereiten und netten Menschen. Da heißt es:

Der Gerechte ist gütig und hilft.

Er ist gütig und leiht aus.

Er ist lauter und redlich.

Das Verhalten des Frevlers beschreibt der Psalm 37 ziemlich martialisch:

Er sinnt auf Ränke gegen den Gerechten.

Er hat das Schwert gezückt und den Bogen gespannt.

Er will die Armen und Elenden hinschlachten.

Er borgt und erstattet nicht.

Er belauert die Gerechten und versucht sie zu töten.

Das sind schon ziemlich krasse Verhaltensweisen, aber ich frage mich, ob die Welt tatsächlich in Gerechte und Frevler eingeteilt ist, ob es auf der einen Seite Menschen gibt, die nur gütig und selbstlos sind, die nichts anderes kennen als Friedfertigkeit und Versöhnungsbereitschaft, und auf der anderen Seite Menschen, die nur gemein und habsüchtig sind, die sich nehmen, was sie kriegen können, wenn es sein muss mit Gewalt.

Dr. Ulrike Lynn:

Ich glaube ja nicht, dass man diese beiden Lager so klar voneinander trennen kann. Kann ich mich selbst denn guten Gewissens abschotten von den Frevlern, den egozentrischen und auf ihren eigenen Vorteil bedachten Menschen? Kann ich mit dem Finger auf sie zeigen? 

Oder sollte ich nicht eher versuchen, eine Lanze zu brechen für sie, weil ich spüre, dass ich auch manchmal – trotz allem Christsein – zu ihnen gehöre? 

In mir lebt beides; und es ist ein ewiges Bemühen, dem Guten, also der Treue, der Liebe, der Nachfolge, der Versöhnung, dem Frieden und der Gerechtigkeit mehr Raum in mir zu geben als allem anderen. 

Das gelingt vielleicht nicht immer, aber je mehr ich mich bemühe, desto größer wird auch die Sehnsucht nach dem Guten in mir … und hat Auswirkungen auf mein Denken und Handeln. 

Und das wiederum eröffnet eine Zukunft, wie sie im Psalm beschrieben wird: eine Zukunft des Friedens.

Bischof Dr. Ulrich Neymeyr:

Und das ermutigt zum Friedensengagement. Hier in Erfurt gibt es in der Lorenzkirche seit dem 7. Dezember 1978 jeden Donnerstag ein ökumenisches Friedensgebet. Anlass war die Einführung von „Wehrkunde“ als Unterrichtsfach. Im Herbst 1989 wurde das Friedensgebet zum Kristallisationspunkt für die Demonstrationen. Inspiration war und ist die Verheißung des alttestamentlichen Propheten Micha, dass im messianischen Friedensreich Schwerter zu Pflugscharen gemacht werden. 

Dr. Ulrike Lynn:

Und heute müssen wir hören, dass unser Land zu viel Geld für Soziales ausgegeben hat und zu wenig Geld für Rüstung. 

Bischof Dr. Ulrich Neymeyr:

Auch davon dürfen wir uns nicht entmutigen lassen in unserem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden im gesellschaftlichen und politischen Raum, auch wenn wir damit auf Ablehnung stoßen. Gerade jetzt braucht es unseren Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, denn Zukunft hat der Mensch des Friedens.


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