Prof. Dr. Thomas Söding, Vizepräsident des Synodalen Wegs und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Münster
Die katholische Kirche ist eine Weltkirche. Ohne Rom gäbe es sie nicht. Aber die katholische Kirche ist kein Weltkonzern mit einer Zentrale und Filialen, Das muss man in Rom manchmal sagen. Der weltweite Synodalprozess hat gezeigt, wie vielfältig die katholische Kirche ist und wie wenig der Rekurs auf die hierarchische Ordnung hilft, um die weltweit markierten Probleme zu lösen: Der Klerikalismus muss überwunden, Frauenrechte müssen gestärkt, Inklusion muss gefördert werden.
Der Synodale Weg in Deutschland ist beim Papst und in der Kurie anfänglich auf Skepsis gestoßen, weil er (erstens) unabhängig von Rom entstanden ist, (zweitens) die systemischen Dimensionen des Missbrauchs bearbeitet, deren Ausmaß leider Gottes in Rom nicht klar gesehen werden, und (drittens) eine Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen der Bischofskonferenz und dem ZdK vorsieht, die weltweit die große Ausnahme darstellt, auch wenn viele Basisgruppen auf eine ähnliche Konstellation hoffen.
Intern beklagen wir zwar, dass es keine wirkliche Gleichberechtigung aller Beteiligten auf dem Synodalen Weg gibt, weil die Bischöfe Sonderrechte haben. Im Vatikan ist aber zu hören, die sog. „Laien“ in Deutschland seien nicht „Kätzchen“, sondern „Tiger“: also nicht ganz ungefährlich für Platzhirsche.
In den ersten Phasen des Synodalen Weges hat es zu wenig Kontakte der Protagonisten mit Rom gegeben. Die Kritiker waren aber sehr fleißig – und haben Karikaturen gezeichnet. Die übelste: Die Deutschen wollten eine Nationalkirche gründen, los von Rom. Selbst von „Deutschen Christen“ ist im Vergleich die Rede gewesen, den braunen Protestanten, die Hitler nachgelaufen sind.
Inzwischen haben sich die Nebel allerdings gelichtet. Die Beharrlichkeit des synodalen Reformweges in Deutschland war das eine, die starken Überschneidungen mit den Problemen, die während der Weltsynode Teil I genannt worden sind, waren das andere. Inzwischen ist klar: Der Synodale Ausschuss, das Bindeglied zu einer groß angelegten Versammlung, die Synodalität auf Dauer stellt, nimmt genau so, wie er beschlossen wurde, seine Arbeit auf – vielleicht nicht mit römischem Segen, aber ohne römische Verbote.
Jetzt kommt es allerdings zum Schwur. Der Synodale Weg ist ein Reformprojekt, keine Revolution. Katholische Synodalität wird immer eine mit Papst und mit Bischöfen sein. Aber sie wird die große Lücke der Moderne schließen müssen: garantierte Beteiligung des Kirchenvolkes, Stärkung der Frauenrechte, Veränderung der Priesterrollen.
Wird das gelingen? Die Richtung stimmt, die Geschwindigkeit ist zu langsam. Es wird weiter Widerstände geben. Sie auszuhalten, auszubremsen und auszumanövrieren, gehört zum Erwachsensein im Glauben. Reformen werden nicht auf dem vatikanischen Silbertablett serviert. Sie brauchen die Kraft synodaler Bewegungen, lokal, regional, national, kontinental, global.
Was setzt dies voraus? Klare Ziele und gangbare Weg. Die klaren Ziele: Partizipationsprozesse, Rechenschaftspflichten, Transparenzgebote müssen in der katholischen Kirche zur Regel werden. Die gangbaren Wege: gehen, reden, beraten, entscheiden – weiter gehen, weiter reden, weiter beraten, weiter entscheiden, und zwar gemeinsam.
Man kann sich utopische Ziele setzen – dann hat man sich schnell aus dem katholischen Kosmos herausgebeamt und nichts erreicht. Man kann auf dem Fleck stehen bleiben, dann geht die Zukunft flöten. Ich bin für Ziele, die erreicht werden können, und für Wege, die viele Menschen mitgehen wollen.
Auf der römischen Weltsynode Teil I sind die Aufgaben identifiziert worden. Werden sie auch erledigt? Vor und hinter den Kulissen wird heftig gerungen. Wichtig ist, dass sich die Reformkräfte nicht gegeneinander ausspielen lassen, weil die einen noch progressiver als die anderen sein wollen, sondern dass alle ihre Hausaufgaben vor Ort erledigen und gleichzeitig deutlich machen, dass sie keine Kopiervorlagen für andere Nationen und Kulturen liefern, sondern das Spektrum markanter Synodalität erweitern.
Rom ist wichtig. Rom soll sich aber nicht zu wichtig nehmen. Ein synodaler Petrusschlüssel, der heute dringend gebraucht wird: mehr verbriefte Verantwortung an der Basis, gesichert durch eine Veränderung des Kirchenrechts, die den Zentralismus aufbricht. Dass es an dieser Stelle Bewegung gibt, gerne zuerst ad experimentum, ist für mich der Gradmesser.
Manche gehen raus aus der Kirche, weil sie die klerikale Macht nicht mehr aushalten wollen; ich kann nur hoffen, dass wir in Kontakt bleiben. Einige wenige verschanzen sich hinter Bollwerken der Rechtgläubigkeit, weil sie Sicherheit in turbulenten Zeitläuften suchen; ich kann nur hoffen, dass sie die anderen nicht verteufeln. Das ZdK sehe ich an der Seite derjenigen, die Verantwortung vor Ort übernehmen wollen, auch weil sie mit Menschen aus anderen Teilen der Weltkirche solidarisch sein wollen.
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